Wie steht es aktuell um die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland, Europa und China? Wie sollten Unternehmen in diesem zunehmend komplexen Umfeld agieren? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des DHK Aktuell der Deutschen Handelskammer in Österreich am 20. Oktober 2025 in Wien.
Als Gastreferent berichtete Oliver Oehms, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in Nordchina, aus erster Hand über die Stimmungslage deutscher Unternehmen in China und skizzierte Strategien für die kommenden Jahre.
Trotz Herausforderungen kein Abschied vom Markt
Oehms skizzierte die komplexe Lage in China: Das Wirtschaftswachstum hat sich spürbar verlangsamt, die Kaufzurückhaltung unter chinesischen Konsument:innen ist hoch und die Investitionsbereitschaft in der Privatwirtschaft gering. Hinzu kommen geopolitische Spannungen und der anhaltende globale Handelskonflikt, der Unternehmen zusätzlich unter Druck setzt.
All das wirkt sich auch auf deutschen Unternehmen in China aus. Oehms zufolge hat sich das Marktumfeld deutlich verändert. Es gäbe nach wie vor zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten, jedoch müssen Unternehmen mit starkem lokalem Wettbewerb rechnen. Trotz dieser Herausforderungen zeigen Mitgliederumfragen der Deutschen Handelskammer in China, dass die Mehrheit der Unternehmen keine Pläne hat, den chinesischen Markt zu verlassen und viele an ihren Investitionsplänen festhalten. Der Hauptgrund dafür ist, die eigene Wettbewerbsfähigkeit sowohl in China als auch auf den globalen Märkten zu sichern.
Lokalisierung 3.0 - Smarte Strategien deutscher Unternehmen
Ein zentrales Stichwort des Vortrags war „Lokalisierung 3.0“. Gemeint ist damit die zunehmende Integration deutscher Unternehmen in die chinesische Wertschöpfungskette, mit Produktion, Forschung und Entwicklung vor Ort, angepasst an lokale Bedürfnisse, aber mit der Qualität deutscher Produkte - als strategische Reaktion auf den dynamischen Markt in China.
„Local-for-local“ laute die Devise zahlreicher Unternehmen. Produkte für den chinesischen Markt werden zunehmend nicht nur in China produziert, sondern auch dort entwickelt. Gleichzeitig werde der Standort China in einigen Branchen zum Sprungbrett für globale Märkte, wie der Begriff „local-for-global“ beschreibt. Oehms betonte, dass diese Entwicklung weniger einen Rückzug aus Europa darstelle, sondern Teil einer strategischen Anpassung sei. Erfolgreich könne in China nur sein, wer vor Ort präsent, gut vernetzt und flexibel agiere.
Zwischen Wettbewerb, Innovation und Austausch
In vielen Sektoren, wie etwa in der Elektromobilität, Künstlichen Intelligenz oder Halbleiterproduktion, hat sich China technologisch stark positioniert und treibt Innovationen voran.
Das führe nach Einschätzung von Oehms zu einem weiteren Wettbewerbsdruck, biete jedoch zugleich auch neue Chancen. Deutsche Firmen suchten zunehmend strategische Partnerschaften mit chinesischen Unternehmen, um ihre Produkte mit der bekannten chinesischen Schnelligkeit verbinden zu können. Allerdings sei dafür nach wie vor ein besserer Schutz des geistigen Eigentums notwendig. Nicht zuletzt, um ein robustes Risikomanagement aufbauen zu können.
Ein weiteres Thema des Vortrags war die wichtige Unterstützung der Politik. Viele Unternehmen wünschten sich laut Oehms eine aktivere China-Strategie der deutschen Bundesregierung, mit mehr Austauschformaten, die auf einer informativen, aber auch pragmatischen Grundlage stattfinden, und besserer China Kompetenz in Deutschland.
China bleibt zentraler Partner für die deutsche Wirtschaft
Trotz der Herausforderungen bleibt China einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Mehr als 5.000 deutsche Unternehmen sind dort aktiv, rund 1,1 Millionen Arbeitsplätze in China werden direkt von deutschen Firmen getragen. Oehms machte deutlich, dass China weiterhin ein Schlüsselmarkt für deutsche Unternehmen bleibe. Viele Betriebe hätten dort langfristig investiert, nun gehe es darum, den Return on Investment zu sichern. Gerade Chinas grüne Entwicklung und die Internationalisierung chinesischer Unternehmen bieten deutschen Unternehmen vielversprechende Geschäftsmöglichkeiten.
Neue Balance zwischen Chancen und Risiken
Sein Vortrag zeigte eindrucksvoll, wie deutsche Unternehmen ihre Strategien im chinesischen Markt anpassen und wie wichtig ein genaues Verständnis der lokalen Dynamiken ist.
Autor: Jan Malte Brelage/Praktikant; AHK Greater China