- Nach der Stabilisierung zu Jahresbeginn kam es Mitte des Jahres zu einer neuerlichen Eintrübung des Klimas quer über fast alle Branchen – Signale für einsetzende Aufhellung haben sich verflüchtigt
- Industrie bleibt der Bremsklotz der österreichischen Wirtschaft: Konjunkturumschwung frühestens im Herbst zu erwarten
- Die Bauwirtschaft bleibt in der zweiten Jahreshälfte 2024 im Krisenmodus – positive Ansätze nur im Tiefbau und in der Hochbausanierung erkennbar
- Abkühlung der Dienstleistungskonjunktur, doch zumindest moderate Wachstumsaussichten für die kommenden Monate bei starken Branchenunterschieden
- Lage im Handel bleibt schwierig, aber anhaltende Reallohnzuwächse sollten der bestehenden Kaufzurückhaltung aus Verunsicherung entgegenwirken
Die leichte Belebung der österreichischen Wirtschaft rund um den Jahreswechsel 2023/24 hat seit dem Frühjahr wieder an Schwung verloren. Im zweiten Quartal stagnierte die heimische Wirtschaft. Der aktuelle Branchenüberblick der UniCredit Bank Austria zeigt nach einer Verbesserung zu Beginn des Jahres 2024 mittlerweile wieder eine Eintrübung des Branchenklimas an.
Insbesondere in der Industrie erfüllten sich die Erwartungen einer Verbesserung aufgrund der anhaltenden Auftragsflaute bisher nicht. Im ersten Halbjahr 2024 war die Industrie folglich von einem deutlichen Produktionsrückgang gekennzeichnet. Auch in der Bauwirtschaft setzte sich der Rückgang der Produktion bis zur Jahresmitte fort. Dem gegenüber standen nur leichte Wachstumsimpulse aus dem Dienstleistungssektor.
„Nach dem Rückgang des BIP um 0,8 Prozent im Jahr 2023 hat sich angesichts der schwachen Entwicklung in den Produktionsbereichen in der ersten Jahreshälfte 2024 ein weiterer Rückgang der österreichischen Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent real im Jahresvergleich ergeben. Ausschließlich der Dienstleistungssektor konnte bei sehr unterschiedlichen Branchenentwicklungen ein leichtes Wachstum verzeichnen“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer.
In die zweite Jahreshälfte 2024 starten die heimischen Unternehmen in der Mehrzahl mit pessimistischen Produktions- und Nachfrageerwartungen. „Die jüngsten Konjunkturbefragungsergebnisse kündigen für die kommenden Monate weiterhin eine schwache Wirtschaftsentwicklung an. Das Branchenklima war zu Beginn der zweiten Jahreshälfte 2024 in allen Sektoren trüb oder abkühlend. Insbesondere die Industrie und die Bauwirtschaft stehen einem herausfordernden Umfeld gegenüber. Im Dienstleistungssektor ist die Lage weniger angespannt“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl und ergänzt: „Die erneute Verschlechterung der Produktions- bzw. Geschäftserwartungen deutet darauf hin, dass sich an der schwachen Konjunkturentwicklung in den kommenden Monaten nichts ändern dürfte. Wir sind weiter optimistisch, dass im Verlauf der zweiten Jahreshälfte eine Erholung der heimischen Wirtschaft einsetzen wird. Der Beginn hat sich jedoch zumindest bis in den Herbst verschoben und die vorliegenden Indikatoren lassen auch für danach keinen Blitzstart erwarten.“
Wettbewerbsfähigkeit der Industrie bereitet Sorgen
Seit Mitte 2022 befindet sich die österreichische Industrie aufgrund der schwächelnden Exportnachfrage sowie sinkender Aufträge aus dem Inland auch als Folge der Probleme in der Bauwirtschaft in einer Rezession, allerdings mit stark unterschiedlichen Branchenergebnissen. Die Produktionsleistung sank in der ersten Jahreshälfte um real rund 5 Prozent und nur wenige Sparten konnten sich mit Produktionszuwächsen vom allgemeinen Trend abkoppeln.
Neben der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie und der Abfall- und Abwasserentsorgung konnte nur die Pharmaindustrie ihre Produktionsleistung gegenüber der Vorjahresperiode erhöhen. Zu sogar zweistelligen Produktionseinbrüchen kam es hingegen in der ersten Jahreshälfte in der Bekleidungs- und Textilindustrie, der Elektroindustrie, der Glas- und Glaswarenerzeugung, der Herstellung von Möbeln und der Kfz-Herstellung. In den meisten Branchen verstärkten sich nach einer Stabilisierungsphase in den ersten Monaten des Jahres die negativen Entwicklung zur Jahresmitte hin.
„Die unmittelbaren Produktionserwartungen in der Sachgüterindustrie haben sich zu Beginn der zweiten Jahreshälfte weiter eingetrübt, zunehmend belastet von Sorgen hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industriebetriebe auf den globalen Märkten angesichts einer hohen Lohnkostendynamik und vergleichsweise hoher Energiepreise“, meint Pudschedl und ergänzt: „Den größten Herausforderungen stehen in den kommenden Monaten angesichts besonders trüber Auftragslage und Produktionserwartungen die Stahlindustrie, die Metallwarenerzeugung, der Maschinenbau, die Elektroindustrie und die KFZ-Herstellung gegenüber.“
Vergleichsweise günstiger sollte sich die Konjunktur weiter in der Lebensmittel- und Getränkeerzeugung entwickeln. Auch für die Papierindustrie scheint sich etwas Rückenwind aufzubauen. Insgesamt muss in der Industrie in den kommenden Monate jedoch von einer Fortsetzung der Rezession ausgegangen werden, deren Intensität sich schrittweise verringern sollte. Die Produktionserwartungen für die kommenden zwölf Monate laut der Umfrage unter den österreichischen Einkaufsmanagern hat sich im Juli zwar auch verringert, der Erwartungsindex liegt allerdings mit 55,2 Punkten im optimistischen Bereich.
Bauwirtschaft kommt nicht aus dem Krisenmodus
Am Bau kam es in der ersten Jahreshälfte 2024 zu einer weiteren Konjunkturverlangsamung. Während sich im Hochbau ein zweistelliges Umsatzminus ergab, lagen die Umsätze im Tiefbau „nur“ rund 6 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die Baunebengewerbesparten wiesen sogar ein leichtes Plus auf, wie im Tiefbau sogar mit leichter Verbesserungstendenz zur Jahresmitte hin.
Die anhaltend negative Beurteilung der Auftragslage verspricht für die kommenden Monate weiterhin eine sehr herausfordernde Konjunkturlage in der Bauwirtschaft an. Die schwache allgemeine Konjunktur, der nur langsame Rückgang der Baupreisdynamik und die hohen Kreditzinsen werden die Nachfrage auch in den kommenden Monaten bremsen.
Insbesondere für den Hochbau bleiben die Belastungen groß, während sich die Beurteilung der Auftragslage im Tiefbau und in den Baunebengewerbesparten zu Jahresmitte moderat verbesserten. Wachstumsimpulse können daher neben dem Tiefbau in den kommenden Monaten nur im Bereich der Hochbausanierung erwartet werden. Beide Bereiche profitieren von den Förderungen für Klimaschutzmaßnahmen und auch der Handwerkerbonus könnten sich positiv auswirken.
„Nach dem deutlichen Minus in der ersten Jahreshälfte sind trotz einiger Lichtblicke etwa im Tiefbau und bei einigen Baunebengewerben in Summe die Umsatzaussichten für die Bauwirtschaft für das Gesamtjahr 2024 sehr verhalten. Die Bauwirtschaft wird voraussichtlich einen noch stärkeren Produktionsrückgang verzeichnen als im Vorjahr“, meint Pudschedl.
Abkühlung der Dienstleistungskonjunktur
In der ersten Jahreshälfte 2024 hat sich die Lage im Dienstleistungsbereich leicht angespannt, dennoch war der Sektor der einzige Wachstumsträger der Gesamtwirtschaft, jedoch mit abnehmender Tendenz. Die Entwicklung in den einzelnen Bereichen verlief dabei sehr heterogen. Während positive Wachstumsimpulse aus den Bereichen Finanz- und Versicherungsleistungen sowie Grundstücks- und Wohnungswesen kamen, gingen die realen Umsätze vor allem in den produktionsnahen Bereichen der sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen spürbar zurück. Besonders stark betroffen war etwa die Vermittlung von Arbeitskräften und einige freiberufliche Tätigkeiten. Auch im Bereich Beherbergung und Gastronomie, Informations- und Kommunikationsdienstleisten sowie bei Verkehrsdienstleistungen (ausgenommen Flugverkehr) kam es zu realen Rückgängen in der ersten Jahreshälfte 2024.
„Die Umsatzerwartungen sind im Dienstleistungssektor deutlich günstiger als im Produktionsbereich, lassen jedoch eine eindeutige Aufwärtstendenz für die kommenden Monate vermissen. Das Branchenklima ist weiterhin trüb“, so Pudschedl. Während sich die Nachfrageerwartungen in der Beherbergung leicht verbessert haben und damit für die kommenden Monate eine gute Auslastung erwarten lassen, werden die Umsätze in der Gastronomie noch stärker unter der hohen Inflation leiden, die sich bremsend auf die Kaufkraft auswirkt.
Die verbesserten Erwartungen im Verkehrsbereich sind ausschließlich auf den Personentransport (z.B. Luftverkehr) zurückzuführen, während der Gütertransport länger auf spürbare Impulse warten müssen wird.
Die Schwäche der Industriekonjunktur wird weiterhin die Entwicklung in den wirtschaftsnahen Diensten dämpfen. Die Nachfrageerwartungen haben sich zu Beginn der zweiten Jahreshälfte 2024 sowohl bei vielen freiberuflichen Diensten als auch bei den sonstigen Wirtschaftsdiensten verschlechtert, was für die kommenden Monate kaum eine Belebung der Dienstleistungskonjunktur verspricht. Der Dienstleistungssektor sollte zwar weiter auf Wachstumskurs bleiben, aber die Dynamik wird zumindest bis in den Herbst hinein nur moderat ausfallen.
Kaufzurückhaltung trotz hoher Reallohnzuwächse belastet den Handel
Die gestiegene Kaufkraft der Konsumenten schlug sich aufgrund der hohen Verunsicherung und einem folglich vorsichtigen Ausgabeverhalten in der ersten Jahreshälfte 2024 kaum in den Einzelhandelsumsätzen positiv nieder. Bis Mai 2024 stieg der Umsatz (ohne Tankstellen) um knapp 3 Prozent nominell, was real jedoch nur eine Stagnation bedeutete. Die stärksten Einbußen gab es im Nicht-Lebensmittelbereich. Die Geschäftserwartungen haben sich Mitte 2024 verschlechtert und sind wieder in den pessimistischen Bereich gefallen, obwohl Reallohnzuwächse der Konsumenten eine schrittweise Verbesserung der Sektorkonjunktur erwarten lassen sollten.
Die Umsatzentwicklung im Kfz-Handel (inkl. Werkstätten) konnte in der ersten Jahreshälfte erwartungsgemäß nicht an die von Nachholeffekten getriebene hohe Dynamik des Jahres 2023 anschließen. Die Umsätze legten jedoch um rund 3 Prozent real zu, angetrieben von stark gestiegenen PKW-Neuzulassungen. Die Geschäftserwartungen liegen weiter im negativen Bereich. Trotz einer allgemein zurückhaltenden Konsumentenstimmung sind die Geschäftserwartungen zu Beginn der zweiten Jahreshälfte 2024 jedoch besser als gegen Ende 2023. Zwar dürfte sich die Umsatzentwicklung in der zweiten Jahreshälfte weiter verlangsamen, aber die Branche könnte weiterhin Wachstum verzeichnen.