Trotz rückläufiger Inflation in den letzten Monaten bleibt die österreichische Konjunktur im Jahr 2023 weiterhin von den enormen Preissteigerungen infolge der COVID-19-Pandemie und des Ukraine-Krieges sowie von den Leitzinserhöhungen geprägt. Die Eintrübung im II. Quartal war regional unterschiedlich stark, aber in allen Bundesländern spürbar. Die regionalen Arbeitsmärkte entwickelten sich angesichts der konjunkturellen Abkühlung verhältnismäßig robust.
1. Industrieproduktion in den meisten Bundesländern rückläufig
Der Abschwung in der österreichischen Industrie zeichnete sich bereits im 1. Halbjahr dieses Jahres ab. Im III. Quartal ging die reale Wertschöpfung des produzierenden Bereichs laut WIFO-Schnellschätzung gegenüber dem Vorquartal um weitere 0,5Prozent zurück, gegenüber dem Vorjahr ergab sich ein Rückgang um 1,5Prozent. Auch nominell verringerte sich die abgesetzte Produktion in sechs Bundesländern. Die stärksten Rückgänge waren in drei Bundesländern zu verzeichnen, in denen die Sachgütererzeugung eine überdurchschnittliche Bedeutung hat: In Vorarlberg schrumpfte sie um 5,7Prozent, in Niederösterreich um 4,9Prozent und in der Steiermark um 4,8Prozent, wobei in Vorarlberg der Großteil des Einbruchs einer einzigen Branche, der Herstellung von Metallerzeugnissen, geschuldet war. Im WIFO-Konjunkturtest vom Oktober schätzten die heimischen Industrieunternehmen in allen Bundesländern die künftige Geschäftslage weiterhin negativ ein. Die Beschäftigung in der Industrie erwies sich im II. Quartal trotzdem noch erstaunlich resilient; mit Ausnahme von Vorarlberg nahm sie in allen Bundesländern leicht zu.
2. Baukonjunktur trübt sich weiter ein
Die österreichische Bauwirtschaft verzeichnete im II. Quartal 2023 noch stärkere Rückgänge als im Vorquartal. Nach -3,6Prozent im I. Quartal sanken die realen Bauinvestitionen laut Quartalsrechnung von Statistik Austria im II. Quartal mit -7,1Prozent gegenüber dem Vorjahr markant. Die Eintrübung war besonders vom Hochbau getrieben, wo alle Bundesländer deutlich negative Wachstumsraten der abgesetzten Produktion aufwiesen: im Burgenland (-20,7Prozent), in Oberösterreich (-16,4Prozent), in Tirol (-14,2Prozent) und in Kärnten (-13,2Prozent) sogar im zweistelligen Bereich. Aber auch die gesamte abgesetzte Bauproduktion ging in einigen Bundesländern zurück bzw. entwickelte sich mit Ausnahme von Wien und dem Burgenland weniger dynamisch als im Vorquartal. Weder die WIFO-Konjunkturprognose noch die Befragungen im Rahmen des WIFO-Konjunkturtests deuten auf eine Erholung des Bauwesens in den nächsten Monaten hin.
3. Hohe Tourismusnachfrage trotz Inflation
Der österreichische Tourismus entwickelte sich angesichts der preislichen Rahmenbedingungen und Unsicherheiten infolge der geopolitischen Verwerfungen in den ersten fünf Sommermonaten 2023 günstiger als erwartet. Bei den Ankünften wurde mit 22,7 Mio. ein Höchstwert erreicht, die Zahl der Nächtigungen lag über den Vergleichswerten der vergangenen 40 Jahre. Auch auf regionaler Ebene übertraf die Zahl der Nächtigungen in fast allen Bundesländern im II. Quartal 2023 das Vorkrisenniveau. Eine Ausnahme bilden Wien und Niederösterreich, die aber die stärksten Wachstumsraten gegenüber dem Vorjahr aufwiesen. Jüngste Gästebefragungen geben einen optimistischen Ausblick auf die Nachfrage im Winter 2023/24, die allerdings auch von der Witterung und den Schneeverhältnissen in den Skigebieten abhängen wird.
4. Beschäftigung in Dienstleistungen und Herstellung von Waren (noch) resilient
Die regionalen Arbeitsmärkte, für die bereits Daten für das III. Quartal 2023 vorliegen, spiegeln eine abgeschwächte Dynamik wider, zeigen sich aber in Anbetracht der konjunkturellen Lage robust. In allen Bundesländern entwickelte sich die Beschäftigung weiterhin positiv, wobei die stärksten Wachstumsimpulse von den Dienstleistungen und der Herstellung von Waren ausgingen. Die Arbeitslosenzahlen stiegen mit Ausnahme von Tirol überall an, am stärksten in der Steiermark, Oberösterreich (jeweils +7,8Prozent) und in Wien (+7,0Prozent). In allen Bundesländern steht der Entwicklung der Arbeitslosigkeit jedoch ein wachsendes Arbeitskräfteangebot gegenüber.